Ich bin heute auf Twitter über Umwege auf ein paar Tweets von @christiansoeder gestolpert, der mit der These aufwartete, dass es Unsinn sei, von Unternehmen zu Fordern, Werte zu haben oder zu entwickeln - Unternehmen seien dazu da, Geld zu verdienen und Werte könne man Unternehmen nur durch geeignete Regulierung durch die Politik vorgeben.

Ich hab darauf hin eine sehr kurze Diskussion mit ihm gehabt, die er aber einseitig sehr schnell abgebrochen hat. Das will ich ihm nicht vorwerfen, ich war gefühlt einer von 200 Leuten, die ihn dafür verprügelt haben.

Ich beschäftige mich, wenn auch nur Hobby-mäßig und total unwissenschaftlich schon seit Ewigkeiten mit diesem Thema und mich ärgert diese Sichtweise. Aus mehreren Gründen.

Zum einen ist diese Sichtweise so typisch Sozialdemokratisch: Die Unternehmen, das sind die bösen, das wird man nie ändern können, und deswegen brauchen wir Gesetze!

Zum anderen passt es ironischerweise natürlich überhaupt nicht zu dem, was die Sozialdemokratie, wenn sie denn mal in Regierungsverantwortung war, an Politik betrieben hat.

Aber wichtiger ist eigentlich, dass mir diese Betrachtungsweise stinkt. Davon auszugehen, das Unternehmen per se kein Gewissen haben können, weil sie nur dem wirtschaftlichen Handeln verpflichtet sind ist eigentlich eine sehr wirtschaftsliberale Sichtweise, die nur insofern rot eingefärbt wird, als dass der Liberale davon ausgeht, dass die Marktmechanismen das Unternehmen zu gutem Handeln zwingen, während der Sozi meint, dass das Quatsch sei und nur Gesetze und Regulierungen für ethisches Handeln sorgen können.

Das Problem dabei ist, dass wir in beiden Fällen Unternehmen einen Persilschein für unethisches, wertefreies Handeln aussprechen. “Geht ja nich anders, muss halt wirtschaftlich denken, das dumme Unternehmen”.

Aber in einem Unternehmen und in einer Unternehmensführung arbeiten Menschen. Menschen, die man für unethisches Verhalten kritisieren und zur Rechenschaft ziehen kann. Menschen, von denen man verlangen kann, dass sie ein Gewissen haben.

Allgemeiner gesprochen: Gesetze und Regulierungen legen nicht das Verhalten von Menschen fest, sondern die Grenzen des akzeptablen Verhaltens. Der überwiegende Teil der Menschen würde einem anderen nie die Geldbörse aus der Tasche klauen. Für die paar Prozent, für die das nicht gilt (aus welchen Gründen auch immer), gibt es Gesetze.

Und dennoch geht man bei Unternehmen davon aus, dass es vollkommen normal ist, alles im Rahmen von Gesetzen und Regulierungen mögliche zu tun um Gewinn und Umsatz zu steigern. Lohndumping ist vollkommen normal und quasi zwangsläufig (weil Ergebnis eines Marktmechanismus), also brauchen wir Mindestlöhne.

Man verstehe mich bitte nicht falsch: Ich halte Regulierungen für nötig und wir brauchen eher mehr davon als weniger, gerade in diesen Zeiten. Mindestlöhne - Ja, bitte. Aber das darunter liegende Problem ist das ökonomisch geprägte Weltbild, das ökonomisches Handeln quasi per Staatsreligion (Weltreligion) über andere Leitsätze hebt.

Es ist meine feste Überzeugung, dass wir die so großen Probleme unserer Zeit (steigende Einkommensunterschiede, Altersarmut, kollabierendes Gesundheitssystem) nicht lösen werden.

Nicht so lange wir so tun als wären Unternehmen quasi nur auf maximalen Gewinn optimierte Algorithmen.

Ein bisschen lame, aber ich mach’s trotzdem. Hier, Grundgesetz Artikel 14, Absatz 2:

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Unternehmertum ist kein Selbstzweck. So lange wir das als Gesellschaft nicht begreifen und endlich anfangen, die Menschen, die die falschen, zynischen und ungerechten Entscheidungen treffen, dafür zu verurteilen anstatt sie sich hinter den anonymen Fassaden von “Unternehmen” verstecken zu lassen, kann Politik, im besten Falle, immer nur versuchen, durch weitere Regulierungen Schlupflöcher zu stopfen und so die gröbsten Schnitzer zu verhindern.

Man kann das am Ende naiv nennen, und so tun, als wenn ich verlangen würde zur Lösung aller Probleme die komplette Erdbevölkerung auf den Mars zu verlagern. Man kann aber auch z.B. Leuten wie Umair Haque zuhören (bzw. sein Buch “Betterness” lesen), die sich im Gegensatz zu mir auf wissenschaftlichem Niveau und gänzlich ohne den Verdacht dastehend, Naive Spinner zu sein, schon sehr lange mit dem Thema beschäftigen.

Wie heisst es so schön im englischen: We are better than this.