Ich hab mir gestern die Revolution angesehen. Und zwar die, die schon längst “am passieren iss”.
Und zwar war ich gestern beim “Holy Shit Shopping” im alten Gaswerk. Das ist der erste Weihnachtsmarkt, für den ich Eintritt bezahlen musste
und, ich denke auch der erste Weihnachtsmarkt, vor dem ich anstehen musste.
Der Anspruch der Macher ist, laut Website:
Die Weihnachts.Shopping.Lounge ist ein Kunst- und Designmarkt und präsentiert seit 6 Jahren ca. 150 handverlesene junge Designer, Kreative und Künstler, sowie eine wilde Mischung an Mode-, Schmuck- und Produktdesign, Kunst, Fotografie, Graphik, Comics und Literatur in besonderer Architektur.
Ja, Kunst gab es auch, Schmuck ’ne ganze Menge, aber ansonsten vor allem: Kunsthandwerk der modernen Variante. Also das ganze Etsy-/Dawanda-Gelöt. Und das ist schon beeindruckend, wie viel Kreativität dieses “Neue Kunsthandwerk” hervorbringt. Klar, es gibt ungefähr 200 Variationen der Handy-Hülle aus Filz, aber zumindest denkt jeder seine Idee mit dazu. Und richtig coole Sachen gabs auch, intelligentes Produktdesign, abgefahrene Ideen, gute und verrückte Mode, und und und. Wenn ich nicht so müde wäre, würde ich mir die Mühe machen und ein paar Sachen verlinken, stattdessen verweise ich auf die Links auf der Seite vom Holy Shit Shopping.
Das ist, für manche mag das anmaßend klingen, gelebte Revolution. Leise, still und heimlich etabliert sich gerade in diesem Bereich eine Kultur des Selbermachens. Des davon-leben-wollens und -könnens. Vorbei an der Offshore-Großindustrie, weil niemand mehr Lust hat, vergängliche Plastikdinge aus China zu kaufen, wenn man statt dessen mit Liebe gemachte, haltbare Dinge aus echten Materialien (t.w. auch hier: Plastik) haben kann. Und vor allem ist niemand da, der den Kleinstproduzenten, die über Etsy und Dawanda ihre Waren an den Mann bringen, erzählt, dass man nur erfolgreich sein kann, wenn man in Masse fertigt. Weil das, auch durch die fortschreitende Demokratisierung der Produktionsmittel, inzwischen gar nicht mehr so wichtig ist. Und selbst wenn: Viele Kleidungsstücke, die auf dem HSS verkauft werden, sind vermutlich nicht in Deutschland produziert. Aber auch hier: Der Zugang zu Produktionsmitteln, auch für die Massenfertigung ist auch immer einfacher geworden, durch z.B. das Internet, über das man inzwischen überall auf der Welt Produktionsanlagen mieten kann, aber auch durch den Druck der großen Konzerne an die “Zulieferindustrie”, immer flexibler zu werden – Und somit ihnen die Möglichkeit gegeben haben, auch flexibler in der Auftragsannahme zu werden. Und so scheint sich der Trend, der für Software schon ganz lange gilt, auch im Bereich der Hardware zu bestätigen: Kleinere Firmen sind im Durchschnitt flexibler, schneller, innovativer und damit mächtiger, während die Bereiche, in denen große Unternehmen bisher Vorteile hatten (Marketing-Macht, große Forschungsbudgets, Synergiemöglichkeiten im Unternehmen) immer unwichtiger werden, bzw. der Vorsprung immer kleiner wird.
Die einzige Macht, die große Unternehmen den kleinen immer noch voraushaben, ist zum einen, massiv Lobbying in der Politik zu betreiben (dazu mehr zu schreiben würde diesen Artikel sprengen) und, leider, Armadas von Anwälten zu bezahlen. Meine Vorhersage ist daher: Es wird weiterhin eine Großunternehmen-freundliche Klientelpolitik betrieben werden, und auf der anderen Seite werden, sobald die Industrie schnallt, was da passiert, anfangen, massivst die Kleinunternehmen wegen irgendwelcher Copyright- und Marktenrechtsverletzungen zu verklagen, wo immer sie können. Die Nummer mit Jack Wolfskin, wenn auch glimpflich ausgegangen, zeigt da ja schon, wie man den Kleinstproduzenten beikommt, wenn man will.
Wird das was ändern, wird das den Trend zu kleinen Unternehmen aufhalten? Ich denke und hoffe nicht. We’ll see.