Gestern war ja nun ein nicht komplett unwichtiges Datum. Vor 20 Jahren begann mit einer leicht chaotischen Pressekonferenz der Anfang vom Ende der Trennung von West- und Ostdeutschland. Wie es der Zufall wollte, ergab es sich, das mein Kollege Wolfgang und ich die Gelegenheit hatten, gestern Abend in Berlin zu weilen – Der wichtigsten Stadt der Welt, zumindest am neunten November.
Und was für eine fantastische Gelegenheit das war. Wir konnten live erleben wie man einen unglaublich wichtigen Tag in unserer Geschichte statt in eine unglaublich spannende, unglaublich fröhliche und unglaublich glückliche Party in eine unglaublich traurige, unglaublich peinliche und unglaublich überhebliche Großveranstaltung verwandelt. Good job!
Ich glaube allerdings: Dieser Tag war nie als Party geplant. Wenn es um eine Party gegangen wäre, hätte man Getränkestände gehabt, Büdchen und vor allem: Freien Zugang zu allem.
Statt dessen sind wir von Barriere zu Barriere gewandert, die uns gemeinen Pöbel von den wichtigeren Menschen getrennt hat. Teilweise waren diese Barrieren einfach nur Zäune, teilweise aber auch sehr nervöse, unfreundliche Polizisten. Oder um es dem Anlass angemessen zu formulieren: Es wurden gestern sehr sehr viele Mauern gebaut um den Mauerfall zu feiern. Am krassesten war das nach dem offiziellen Ende, als der Zugang zum Hauptbahnhof tatsächlich für ca. 20 Minuten von mittlerweile sehr unfreundlichen Polizisten gesperrt wurde, damit die Herren Politiker und Diplomaten endlich zum Dinner ins Kanzleramt fahren konnten.
Das der Rest der Veranstaltung ganz offensichtlich komplett von den Event-Experten des ZDF geplant war, ist am Ende nur noch konsequent. Die Auswahl der Künstler folgte offensichtlich den selben Mechanismen wie bei Wetten Das. Die Regie dieses unseligen Domino-Days war an der Struktur der Sendung orientiert, was eine unglaublich dämliche Idee und der ganzen Domino-Metapher sowas von abträglich, die Kette in der Mitte mehrere Male zu unterbrechen, nur um einen Song spielen zu können und noch ein paar wichtige Personen der Zeitgeschichte zu Wort kommen zu lassen. Ich mag Mohammed Yunus wirklich gern, aber was genau hat dieser Mann, der zufällig (für den Vision Summit) in der Stadt ist, mit der deutschen Einheit zu tun?
Das am Ende das Wetter dann auch noch perfekt zu einer solch ruinierten Veranstaltung passte, war nur noch das Tüpfelchen auf dem Iiieeh. Und so war von dem mageren Feuerwerk dann nur noch der kleinste Teil zu sehen, weil durch die hohe Luftfeuchtigkeit alles in einer Wolke aus Dampf und Rauch verschwand.
Allerdings kann man sich sicher sein, dass die ganze Veranstaltung aus Sicht der Veranstalter ein voller Erfolg war. Die Staatsgäste dürften nach dem tollen Dinner im Kanzleramt (oder wo auch immer das stattfand) vergessen haben, wie scheisse kalt es auch auf ihrer Staatsgästetribühne war, im Ausland dürften die opulenten, vernünftig hingeschnittenen Bilder der paar Hundert Jubelperser, die in die VIP-Zonen durften, sicher wesentlich unkritischer betrachtet worden sein.
Mit anderen Worten: Auch wir sind endgültig in einem Stadium angekommen, wo es nur noch um die Macht der Bilder geht. “Das Volk”, das mit seinem insistieren und seinem hohen Einsatz dieses Ereignis erst möglich gemacht hat, hat bitte hinter der Absperrung zu bleiben und darf dann auch gern um zehn nach Hause gehen. Das hat das Volk dann übrigens auch gemacht – Man musste schließlich, wie mein Kollege Wolfgang so treffend bemerkte, rechtzeitig zu Hause sein (wo es schließlich auch warm und trocken ist) um die Zusammenfassung in den Tagesthemen zu schauen.