Nundenn. Ich habe diesen Artikel schon einmal geschrieben. Beziehungsweise, ich habe die Gedanken, die zu diesem Artikel führen, schon einmal versucht, in einen Artikel zu gießen. Und dann erschien nach dem Drücken des Buttons mit dem Text “Veröffentlichen” nicht ganz das erwartete: Es präsentierte sich mir das Login-Formular meines Blogsystems. Sämtliche Versuche, den Text irgendwie der Browserhistorie zu entlocken scheiterten Gnadenlos.

Anstatt den Text noch einmal zu schreiben, fasste ich mir danach ein Herz und führte endlich den schon vor längerer Zeit gefassten Plan aus, jan.krutisch.de durch eine Sammlung meiner diversen Blogs zu ersetzen. Und hier sind wir nun.

Aber, das Thema soll ja lauten: Kulturflatrate. Also hier ein Text, der so ähnlich bereits einmal in den Tiefen des Datenraumes verschwand:

In den aktuell ja sehr engagiert zwischen ewiggestrigen Medienmenschen und Zukunftsverstehern geführten Debatten zur Zukunft der Medien taucht gern immer mal wieder der Begriff der Kulturflatrate auf. Die Idee dabei ist, bei den bösen Internetzbenutzern, die ja alle so wahnsinnig viel Medien konsumieren, die sie gar nicht gekauft haben (Alles Diebe und Piraten!) quasi mit der Zugangsgebühr zusätzlich eine Mediennutzungsgebühr (eben die Kulturflatrate) zu erheben, die dann nach Nutzung an die Medienersteller ausgeschüttet werden.

Was für eine Wundervolle Idee! All unsere Probleme sind gelöst! Alles wird gut!

Nur: Ich weiss gar nicht wo ich aufhören soll, den Proponenten einer solchen Kulturflatrate zu widersprechen.

Als erstes muss so etwas zwangsläufig an der Organisation scheitern. Wir haben inzwischen genug Erfahrung gesammelt mit Verwertungsgesellschaften wie der ungeliebten GEMA und ähnlichen Schwachmatenvereinen um sagen zu können: Das wird nicht funktionieren. Zumindest nicht so, dass die beteiligten Künstler gerecht ausgezahlt werden. Denn wenn man die durch die Flatrate eingenommenen Gelder gerecht verteilen will, braucht man genaue Nutzungsdaten. Schon mal jemand drüber nachgedacht, wie man die erfassen will? Und wenn man sich schon aus Datenschutzgründen von einer Einzelerfassung trennt, wie soll dann der Verteilungsschlüssel ermittelt werden? Vielleicht analog zu der Erfassung von Radio- und Fernseh-Marktanteilen? Die ja auch so wahnsinnig realistische und aussagekräftige Ergebnisse hervorbringen? Zuguterletzt: Wie man so ein Unterfangen stemmen will, ohne einen riesigen Bürokratie-Apparat zu schaffen, weiss wahrscheinlich niemand. Und ein zusätzlicher Bürokratie-Apparat ist genau das, was die Medienbranchen genau jetzt brauchen.

Der nächste Punkt ist: All diese Diskussionen werden von einer ganz bestimmten Position aus geführt, die ich für falsch halte, bzw. von der ich denke, dass es sich um eine Sichtweise handelt, an die wir uns über die letzten paar zig Jahre gewöhnt haben, die aber keinerlei Anspruch auf Dauerhaftigkeit haben wird.

Wovon ich rede? Dass ein Künstler steinreich damit werden kann, dass er Konserven seiner Kunst verkauft. Oder zumindest gut davon leben kann. Denn die Chance, aus dem Verkauf solcher Konserven überhaupt Geld zu generieren, hängt an der Tatsache, dass es sich, da nur in Bestimmter Form (Notenblätter > Lochstreifen > Schallplatten > CDs) erhältich, um sog. knappe Güter handelt. Dies ist aber bei Digital vorliegenden Daten nicht mehr der Fall, ob einem das gefällt, oder nicht. Alle Versuche, diese Medien mit Hilfe von DRM u.ä. quasi künstlich zu verknappen, müssen scheitern, was die Musikindustrie mit dem inzwischen ja weitgehend akzeptierten Verzicht auf DRM auch anerkennt.

Das Grundproblem bleibt – Es handelt sich bei Musikaufzeichnungen nicht mehr um eine knappe Ressource. Warum man dafür also Geld bezahlen soll, leuchtet nicht ein. Das einzige Argument ist, dass die armen Künstler ja auch von irgendetwas leben müssen.

Dass dieses Argument in der Regel von Industrievertretern vorgebracht wird und daher eher als “Die Industrie, die sich auf Kosten der Künstler und der Konsumenten in den letzten Jahrzehnten dumm und dusselig verdient hat, fürchtet jetzt um ihre Umsätze” zu verstehen ist, sei mal nur am Rande bemerkt. Vor allem aber: In welchem Gesetz steht eigentlich geschrieben, dass Künstler in jedem Fall mit dem Verkauf von Konserven Geld verdienen müssen? Ist es nicht vielmehr so, dass sich die Frage, wovon Musiker leben können, im Laufe der letzten, sagen wir 500 Jahre, bestimmt schon mindestens fünf Mal komplett umgekrempelt hat? Und: Während die Einnahmen aus der Produktion einer Musikkonserve stetig sinken und gegen Null tendieren, sollte man nicht vergessen, dass dies auch bei der eigentlichen Produktion der Fall ist – Für viele Musiker ist es inzwischen durchaus möglich (wenn auch aufwändig), eine komplette Produktion (inklusive der Distribution) für NULL Euro zu machen – Wenn man die Arbeitskosten aussen vor lässt, was man ja in der Regel z.B. tut, wenn es sich bei der Arbeit um die Ausübung eines Hobbys handelt.

Um es ganz klar zu sagen: Ja, das Leben als Musiker wird noch seltener als bisher aus einer seriellen Ansammlung von Champagner-Bädern bestehen. Ja, wenn alles so läuft wie ich mir das vorstelle, wird es eine Industrie rund um diese Kunstform nur noch in Ansätzen geben. Was ich für eine gute und der Kunst förderliche Sache halte. Ja, die Frage, wovon man denn als Musiker bitteschön noch leben soll, muss gestellt werden. Meine Antwort könnte so aussehen:

1. Von Konzerten. Wenn man anfangen würde, bei Konzerten viel von den zur Zeit noch scheinbar notwendigen Mittelsmännern rauszuschneiden und nicht, wie es die Musikindustrie zur Zeit versucht, mit 360-Deals noch mehr Mittelsmänner hinzuzufügen, dann wäre da zum einen nochmal deutlich mehr für die Künstler drin und zum anderen würde dies dem Künstler die Aufgabe aufdrängen, sich noch mehr Gedanken zu machen, wie er Konzerte und Live-Auftritte möglichst attraktiv gestalten kann. Denn Konzerte sind eine knappe Ressource. Einen Liveauftritt kann man streamen, aber ganz ehrlich: Das kann man auch lassen. Zumindest wenn er gut ist und das Publikum möglichst weit einbezogen wird (Wir haben dazu ja ein paar Ideen).

2. Von geschickten Aktionen. Limited Editions. Merchandize, etc.

3. Über das, was wir “Crowd-Patronage” genannt haben: Fans können sich an der Finanzierung, z.B. von Plattenaufnahmen beteiligen. Sellaband ist ein gutes Beispiel, wie sowas aussehen kann, aber auch Dinge wie Kickstarter würden sich dafür sicher eignen.

4. Von einem bedingungslosen Grundeinkommen, wenn es denn da wäre. Diese Idee habe ich von Christian Heller (aka Plomlomplom). Warum nicht einfach für Künstler, die das wollen, den kommerziellen Druck einfach komplett entfernen. Wenn man Musik nicht mehr macht, weil man davon leben will, sondern weil es einem Spaß macht, dann ist das sicher gut für die Kunst. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen (eine der meines Erachtens lohnenswertesten Utopien der letzten Zeit) würde es einem ermöglichen, wenn man in der Lage ist, die Ansprüche auf das Niveau des Grundeinkommens herunterzuschrauben (und die Idee ist ja, dass man davon “gut” leben kann, dass es also deutlich über dem sog. Existenzminimum liegen muss), dann kann man machen was man will. Zum Beispiel Musik produzieren und sie so weit wie möglich verteilen, was dank des bösen Internets quasi kostenlos möglich ist.

Mit anderen Worten: Es gibt Lösungen für dieses Problem, die nicht erfordern, dass wir einen schlecht kontrollierbaren, ungerechten und wahnsinnig aufgeblasenen Apparat schaffen, der für die Vergütung einer Ressource sorgt, die eigentlich prinzipiell nicht mehr vergütbar ist. Ich halte es da mit Clay Shirky, der, in einem anderen Zusammenhang (Zeitungen, noch so eine halbtote Branche auf dem Sterbebett) sinngemäß äusserte, dass er nicht die Hoffnung habe, dass nun alles gleich viel besser werde, im Gegenteil, vermutlich muss erst einmal nochmal alles schlimmer werden, bevor wir neue Wege finden, wie wir sicher stellen können, dass (ab hier von mir paraphrasiert) Kulturgüter wie Musik (oder eben journalistische Texte) weiterhin von Künstler (bzw. Journalisten) erschaffen werden.

Denn: So lange wir Menschen sind, machen wir Musik. Kein anderes Lebenwesen (auch nicht die Menschenaffen) kann Musik machen, oder auch nur würdigen. Ohne dass wir genau verstanden hätten warum das so ist, erfüllt Musik offensichtlich einen gesellschaftlichen Zweck. Nur: Dass sie darüber hinaus für alle Ewigkeit den Zweck erfüllen muss, eine gesamte Industrie zu ernähren und dass es festgeschrieben ist, dass Musiker die seit ein paar Jahrzehnten stark erhöhte Aufmerksamkeit als Individuen behalten, dafür gibt es eigentlich keine schlüssige Begründung ausser “Weil die Musikindustrie das so will”. Was ich nachvollziebar finde, mir aber persönlich total egal ist.