Der von mir in der Regel sehr geschätzte Elektrische Reporter, Herr Sixtus, blies heute ein zwei Tweets durch den Äther, die mir als altem Gentechnik-Skeptiker sauer aufstießen. Als dann noch Christian Heller aka @plomlompom anfing, mit mir zu streiten, wurde mir klar, dass ich die Argumente nicht mehr auf 140 Zeichen eindampfen konnte. Dass ich erst jetzt dazu komme, das ganze in Blogartikelform zu verarbeiten, sei mir verziehen, ich bin leider nur Hobby-Technik-Skeptiker :)
Das Drama begann mit folgenden Ausspruch des Herrn Sixtus:
Wenn man “Gen-Mais” pauschal verbietet, müsste man auch Hunde verbieten. Das sind schließlich genetisch extremst manipulierte Wölfe.
Was genau stört mich an dieser Aussage? Nun, zum einen ging es ja gar nicht um ein Pauschalverbot. In Deutschland müssen, wie in den meisten Ländern dieser Erde, genmanipulierte Pflanzen, wenn sie im Freiland ausgesäht werden sollen, zugelassen werden. d.h. genau so wenig, wie es heute darum ging, Gen-Mais pauschal zu verbieten, ging es jemals darum, Gen-Mais pauschal zu erlauben. Und das ist gut so. Warum? Schließlich ist, laut Herrn Sixtus,
der Unterschied zwischen Mutation und Manipulation nur ein semantischer.
Einspruch. Wie Herr Sixtus richtig bemerkte ist die Mutation (neben der Rekombination, die in ihrer Wirkung aber nur eingeschränkt ist, und keine neuen Arten erschafft) eine der Triebfedern der Evolution. Nun ist Mutation aber auch für die meisten Missgeburten und Fehlkonstruktionen der Evolution verantwortlich, was sich z.B. in der Gegend rund um Tschernobyl sehr gut beobachten lässt (Strahlung ist ein hervorragendes Mittel um Gen-Mutation zu fördern). Mutation allein reicht also nicht aus, es ist in jedem Falle auch die Selektion notwendig. Das ist am einfachsten zu verstehen, wenn man sich krasse Missbildungen ansieht: Diese sind entweder gar nicht lebensfähig, oder aber Zeugungsunfähig (Interessanterweise sind die Vervielfältigungsmechanismen der Natur in der Regel SEHR empfindlich gegen Mutationen), oder aber, bei Tieren und auch bei Menschen, soziale Selektion sorgt für eine künstliche Nicht-Fortpflanzung.
Um auf den Mais zurückzukommen: Die Menschen haben in den Jahrtausenden, seit denen sie gezielt Pflanzen zur Nahrungserzeugung anbauen, gelernt, die Kombination aus Rekombination, Mutation und Selektion gezielt zu nutzen, dies vor allem, in dem natürliche Mechanismen der Selektion durch manuelle Selektion ersetzt wurde. Man nennt das auch “Züchtung”. Jaja.
Nicht alle diese Eingriffe waren immer Sinnvoll. So wurde vor allem in den letzten Jahrzehnten (bzw. vermutlich eher Jahrhunderten) sehr gezielt auf die Steigerung des Ertrags, sowie die Optimierung des Erntevorgangs gezüchtet. Als Beispiele seien hier besonders große Fruchtkörper (Äpfel, Tomaten, aber auch Getreide) und optimierte Pflanzenhöhen (Obstbäume, aber auch Getreidehöhen) genannt. Was oft auf der Strecke blieb und gern durch den großzügigen Einsatz von Chemikalien kompensiert wurde, ist die Robustheit der Pflanzen. Heutige Obst- und Getreidesorten bringen zwar ein vielfaches des Ertrages, aber um den Preis, sehr viel Anfälliger für Schädlinge aller Art zu sein. (Kurzer Einschub: Hier kann man deutliche Parallelen zur Fleischtierhaltung erkennnen, die in den letzten Jahrzehnten auch deutlich Medikamentenintensiver geworden ist). Mais ist da insofern ein schlechtes Beispiel, als dass eine der ersten Ergebnisse der Züchtungsbemühungen eine Schimmelpilz-Resistenz war. Ausnahmen bestätigen und so weiter…
So weit, so bekannt. Das ist also Mutation. Das hat ein paar tausend Jahre so weit ganz gut geklappt. Mit “Natur nicht ins Handwerk pfuschen” hat das tatsächlich erst einmal wenig zu tun, da hat Herr Sixtus nun wiederum Recht.
Was ist nun aber Gen-Manipulation, und was ist der wesentliche Unterschied zur Mutation? Wie aus dem Beispiel mit den Missbildungen klar geworden sein sollte, sind Mutationen zunächst einmal nicht zu begrüßen. Der Begriff “Mutant” ist nicht umsonst eher negativ belegt. Gute Mutationen, also welche, die das Erbgut nachhaltig positiv beeinflussen, sind, nach allem was wir wissen, pure Zufallsprodukte und sehr selten. Aber sie kommen vor, und sind wichtig, denn nur so können neue Arten entstehen. Wichtig: Um den Vorteil von Gen-Mutationen zu nutzen, kommt man ohne das Wissen der genauen Struktur des Erbguts aus. Genaugenommen muss man nicht einmal wissen, dass es so etwas wie das Erbgut überhaupt gibt.
Gen-Manipulation funktioniert anders: Man versucht gezielt bestimmte Gene in das Erbgut des zu manipulierenden Mechanismus einzuschleusen, um bestimmte Eigenschaften zu erhalten. Dazu muss man allerdings etwas weiter ausholen: Die grundsätzliche Funktionsweise der DNA ist, dass sie Baupläne für den Bau von komplizierten Eiweiss-Molekülen enthält. Diese Eiweiss-Moleküle stellen dann so tolle Dinge an, wie für die Synthese eines Giftes gegen den Maiszünsler zu sorgen. Oder Augen blau zu färben. Oder Finger wachsen zu lassen. Klingt unglaublich, wenn man das so hört. Alles in dieser DNA drin. Alles. Eines ist klar: Für eine erfolgreiche Gen-Manipulation benötigt man detailiertes Wissen, auf welche Weise die Informationen der DNA in welche Eiweisse umgesetzt werden und was für Auswirkungen das dann hat.
Nun ist es so, dass dieses Wissen trotz intensiver Forschung immer noch unglaublich gering ist. Auch wenn immer mal wieder Meldungen durch die Medien kommen, dieses und jene Erbgut sei nun komplett entschlüsselt, so bleibt doch die Frage, was es denn mit der “kompletten Entschlüsselung” auf sich hat. So wurde bereits vor Jahren vermeldet, dass das menschliche Genom jetzt entschlüsselt sei. Damit ist aber eben nicht gemeint, dass man jetzt genau weiss, welches Gen man drehen muss, damit jemand statt blauen Augen braune Augen bekommt. Denn dafür müsste man eben nicht nur das Genom entschlüsseln, sondern auch noch die komplizierten Mechanismen dahinter – Und davon ist man in den meisten Fällen weit entfernt.
Ist man, wie Wissenschaftler es zweckmäßigerweise oft sind, einfach mal ein bisschen naiv (ich meine das gar nicht so negativ wie das jetzt klingt – Ohne eine gewisse Grund-Sorglosigkeit hat man in der Grundlagenforschung nix verloren, glaube ich), so mutet es natürlich sehr sinnvoll an, wenn man durch die Mittel der Genmanipulation plötzlich in der Lage ist, den langwierigen Prozess der Züchtung, in dem man vor allem auf die Gnädigkeit des Zufalls angewiesen ist, zu umgehen und sich seine Pflanze quasi von Hand so zusammenbauen kann, wie man sie gern hätte. Ganz so einfach ist es dann leider doch nicht. Die heute verfügbaren Mittel (bzw. die damals verfügbaren Mittel, “Mon 810” ist eine Entwicklung aus den 90er Jahren) erlauben keine wirklich 100%ig gezielte Manipulation des Erbguts. Was man statt dessen macht, ist, dass man sich Organismen sucht, deren Erbgut hinreichend einfach und entsprechend gut erforscht ist, Bakterien leisten hier oft gute Dienste, und versucht, die entsprechenden Gene zu übertragen. Im Falle von Mon 810, einer sogenannten Bt-Maissorte wurde ein Gen eingeschleust, welches ein Gift (Das Bt-Toxin) produziert, welches einen Schädling abwehren soll. Das klingt erst einmal toll, denn das bedeutet, dass man diesen Schädling nicht mehr mit der groben chemischen Keule bekämpfen muss. EPIC WIN.
Wenn. Ja, wenn da nicht die Probleme wären. z.B. das der Maiszünsler, welches der Schädling ist, den es zu bekämpfen gilt, ein Schmetterling ist, der zwar zu gern Maispflanzen anknabbert, aber ansonsten auch einfach mal ein paar Aufgaben im Ökosystem zu erledigen hat. Oder dass jenes Bt-Toxin, welches Mon 810 produziert, auch andere Insekten schädigt (Die Studien hierzu sind sich offensichtlich uneins, das ist vermutlich abhängig davon, wer die Studien finanziert hat, sagt der Zyniker in mir). Oder dass man nachgewiesen hat, dass sich die Gene, die man in den Mais eingeschleust hat, leider nicht immer an die Patente von Montsanto halten und gern mal Artgrenzen überschreiten (Man spricht auch vom sog. Auskreuzen), so dass sich die Maiszünsler-Resistenz rund um Mon 810-Felder weiterverbreitet. Oder dass damit zu Rechnen ist, dass sich der Maiszünsler, über kurz oder lang, mittels klassischer Mutation (hoppla) dazu entschliesst, gegen das Bt-Toxin resistent zu sein – Ein Problem dass alle “eingebauten Pestizide” mit sich rumtragen.
Dazu kommen ein paar eher logistische Probleme. z.B. dass Imker, die ihre Bienenvölker rund um Mon810-Felder angesiedelt haben, ihren Honig nicht verkaufen dürfen, weil der, tadaa, genmanipulierte Pollen enthält. Zugegeben, das könnte man als Folgeproblem der restriktiven Zulassungspolitik verbuchen.
Ich spare mir an dieser Stelle die Ausführungen zur direkten Gesundheitsgefährdung durch den Genuss von genmanipulierten Pflanzen, da hier das Bild der wissenschaftlichen Untersuchungen noch unklarer ist und es so aussieht, als ob eine solche Gefährdung noch nicht einwandfrei bewiesen worden ist, entsprechende Studien, wie sie auch gern von Gentechnik-Gegnern angeführt werden, sind jedenfalls umstritten.
Hätte man jetzt eigentlich, um noch einmal auf den Unterschied zwischen Manipulation und Mutation zurück zu kommen, eine Maiszünsler-Resistenz nicht auch züchten können? Im Prinzip schon, und es gibt zahlreiche Beispiele für Züchtungen, die über klassische Selektion eine Resistenz gegen bestimmte Schädlinge erhalten haben. Der Unterschied liegt meines Erachtens an zwei Stellen: 1. Die Manipulation erfolgt sehr viel gezielter als eine Züchtung es je sein könnte. 2. Die Manipulation ist in der Regel umfangreicher als es Mutationen sind. Zusammen mit der Tatsache, dass die Mechanismen der Biosynthese noch nicht 100%ig verstanden sind ergibt sich daraus ein triftiger Grund für eine gesunde Portion Skepsis: man könnte sagen, dass die Langsamkeit eines Züchtungsvorganges eher Segen als Fluch ist, weil er den Züchter reichlich Zeit für Beobachtung und Reflektion bietet. Eine direkte, gezielte Manipulation ist hingegen ein Gewaltakt, der zwar, zu unserer aller Glück, durch gesetzliche Grundlagen in seiner Wuchtigkeit abgebremst wird, z.B. durch die Notwendigkeit von langen Studien und Feldversuchen, in ihren gesamten Auswirkungen aber deutlich schwerer einzuschätzen ist.
Passend dazu das Bild, das Prof. Bunsen und Herr Sixtus aufspannen: Der Unterschied zwischen “Einen Eimer Wasser über den Kopf bekommen” und “Im Regen stehen” ist eben genau so wenig semantisch wie der zwischen einer Mutation und einer Manipulation: Man wird zwar auch im Regen nass, aber zum einen kann man im Regen immer noch zusehen, dass man sich irgendwo unterstellt und zum anderen kann man einen leichten Regen schon mal eine Weile aushalten, bevor man bis auf die Knochen nass ist.
Ich habe in der twebatte (outch!) heute Vormittag den Ausdruck “unqualifizierte Technikgläubigkeit” verwendet, woran sich Herrn Hellers Unmut entzündete. Verständlicherweise, denn der Ausdruck ist natürlich totaler Käse. Genauso Käse ist es allerdings, und als Gegenentwurf dazu war der Ausdruck gedacht, Gentechnik-Kritiker (und Mon810-Verbots-Befürworter) pauschal als Technophob zu brandmarken. Ich bin wahrlich kein Technophober Mensch (ich hätte dann auch den falschen Beruf), glaube aber an die Notwendigkeit einer vernünftigen, an der Realität orientierten Technikbewertung als wichtigen Teil der technologischen Weiterentwicklung. Wer Kritiker pauschal als “Technikfeindlich” oder wahlweise als “Fortschrittsfeindlich” abstempelt, verpasst die Chance, auch eben diese Kritiker mit auf den Weg in die vermeintlich goldene Zukunft zu nehmen. Denn ist die Chance auf einen Dialog erst einmal vermasselt, packt natürlich auch die Gegenseite alle fairen und unfairen Argumente aus. Und dann verliert im Zweifel der Fortschritt, ob das richtig sein mag, oder nicht.
Ist denn jetzt das Verbot von Mon 810 eine gute oder eine schlechte Nachricht? Aus dem Text sollte klar geworden sein, dass ich das Verbot begrüße. Ich finde es furchtbar, aus welcher Richtung es kommt, denn das ist wirklich mal ein technophobes und schöpfungsgläubiges Umfeld, aber manchmal kann man sich seine Freunde nicht aussuchen. Ich halte es für unglaublich wichtig, dass wir uns bei zukünftigen Anträgen auf Zulassung einer genmanipulierten Pflanze sehr genau ansehen, was genau denn da erreicht werden soll, was für Nebenwirkungen das wohl haben könnte und ob dass dann den Preis wert ist. Nur damit das klar ist: Ich bin vollkommen überzeugt davon, dass wir eines Tages sehr sinnvolle Anwendungen von Gentechnik haben werden, in der Medizin z.B. sind wir da schon sehr nah dran, auch wenn da noch einige sehr grundlegende Ethik-Debatten zu führen sein werden, aber da müssen wir durch. In der “grünen” Gentechnik ist mir das Risikio bisher allerdings deutlich zu hoch. Und das auch weil ich hier ja noch eine weitere Dimension aufspannen könnte:
Wir reden hier ja über ein Produkt eines multinationalen Wirtschaftskonzern mit einem Umsatz von mehreren Milliarden Dollar im Jahr. Und so verwundert es nicht, dass das primäre Interesse dieser Firma bei dem ganzen Genpflanzengedönz gar nicht der doofe Maiszünsler ist, sondern die Tatsache, dass man, zumindest in den USA, genmanipulierte Pflanzen patentieren kann. Aber das ist nun wirklich etwas für einen anderen Artikel – In dem man dann auch die Frage stellen könnte, ob diese ganze Ertragsmaximierung, von der immer gern behauptet wird, dass sie ohne Alternative sei, weil man sonst die ohnehin schon hungernde Welt nicht adäquat ernähren könnte, wirklich so alternativlos ist, oder ob das vielleicht auch nur gezielte Desinformation ist. Allerdings ist dazu ein wenig mehr Recherche nötig, so dass man nicht zu schnell damit rechnen sollte.