Eine Replik auf den tollen Artikel der geschätzten Frau Elfengleich und ihre Antwort auf meinen etwas länglichen Kommentar. Ursprünglich als Kommentar gedacht, ist er wieder eigentlich zu lang und erscheint deswegen hier. Ich erlaube mir, Sannie etwas ausführlicher zu zitieren um den Zusammenhang klar zu machen:
Hinter meine Gewaltfreiheit will ich wie Du immer ein “aber” setzen, und tue es dann aber doch nicht. Zum einen befindet man sich sofort in einer endlosen Disclaimer-Schleife, click! zum anderen fehlt mir häufig – und erst da sehe ich eigentlich die Schwelle zum Terrorismus – die menschliche Sicht auf solche Taten und ihre Folgen. Meinst Du, Frau Kessler, deren Kaltschnäuzigkeit ich übrigens abstoßend finde, kann mit ihren Kindern an der Hand noch das Haus verlassen, ohne sich umzusehen und sich sehr sehr unwohl zu fühlen? Und was hat man dadurch nun erreicht? Nichts, denn man hat nur zerstört.
Ja, Ja und Ja. Himmel, mein Nein zur Gewalt klingt schon fast so zynisch wie ein Bild-Artikel. Ja, ich halte Gewalt für Kontraproduktiv. Zusätzlich bin ich wohl eigentlich das, was man einen Pazifisten nennt und würde Gewalt wirklich nur als aller aller allerletzte Möglichkeit in Betracht ziehen (und das dann als Notwehr bezeichnen), eben genau weil es am Ende eh immer die falschen trifft. Ich sehe das mit der fehlenden Menschlichkeit genauso. Es ist eben, wenn man es aus der Sicht eines Terroristen betrachtet, sehr zweckmäßig, eine Person (Egal ob Bundesanwalt oder Chefredakteur) auf ihr Amt oder auf ihre Funktion zu reduzieren. Der Mensch ist leider sehr gut in solchen Reduktionen, ansonsten wären kriegerische Auseinandersetzungen sicher seltener in den Nachrichten anzutreffen.Und jetzt wieder ein “aber”: Auch auf “der anderen Seite” findet so eine Reduktion zu hauf statt: Für Diekman war die arme Sibel Kekili eben nur die Pornoschlampe (Das Beispiel deswegen, weil ich es für das Premium-Beispiel für nicht-physische Gewalt halte. Eine Familie ohne Not so zu zerstören klappt so effizient sonst nur mit einer Schusswaffe). Für Steinmeier sind El Masri und Kurnaz eben nur “eventuell gewaltbereite Islamisten”, ebenso wie G8-Protestler eben für Schäuble und co. nur Staatsfeinde sind (Und wenn das Merkel-Video, das zur Zeit kursiert echt ist, wovon auszugehen ist, dann sind Falschparker auch Terroristen. Einen Ansatz, den ich als Fahrradfahrer ganz charmant finde…)
Man könnte auf die Idee kommen, mit unserer ach so menschlichen und differenzierten Betrachtungsweise leisten wir uns einen ziemlichen Luxus. Man könnte.
Ich halte viel von so Spektakulärem, wie es neulich im Bundestag lief, von Entlarvendem wie den Yes-Men und Sponti-Aktionen, die vor allem durch Witz und Ideenreichtum auffallen. Auf diese Weise bekommt man auch Leute dazu, mal über den Sinn nachzudenken, die bei einem Brandanschlag sofort sagen: Linke Chaoten, über “Monika, du bist wunderschön. Aber deine Razzia ist hässlich” vielleicht doch lachen müssen: click!
Ich fand die Bundestagsaktion super, wage allerdings die Prognose, dass sich im Kopfe eines durchschnittlichen Bundestagsabgeordneten (der “Volksparteien”, ein Oxymoron höchster Güte) einfach nicht genug Reflektionsvermögen anhäuft um den Sinn der Aktion zu verstehen und sie NICHT mit “Terrorismus” und “Angriff auf unsere Demokratie” zu verwechseln. Und skeptisch bin ich auch, ob (um mal Klischees zu bedienen) der durchschnittliche Bildleser wirklich in der Lage ist, die angesprochenen Aktionen zu verstehen. Der hat nämlich damals schon die Friedensdemo-Teilnehmer alle für potentielle RAF-Terroristen gehalten. Wie so oft sind die Leute, die für solche Aktionen und deren Botschaften empfänglich sind, eh schon die, die man gar nicht mehr bekehren muss. Der tiefere Sinn der Aktionen ist vielleicht einfach nur die schweigende Mehrheit aus dem Winterschlaf zu holen. Hoffen wir, das es am Ende reicht um vielleicht einfach durch pure Masse Eindruck bei der Politik zu machen.
Ich bin da allerdings nicht sicher. Und merke, wie ich so nach und nach in einem Zynismus versinke, der dem eines Kai Diekmann nahekommt, nicht ohne allerdings komplett andere Schlüsse daraus zu ziehen.
Ist es nicht furchtbar, dass man in einer auf so viel historischem Bockmist und auf so viel Nachdenklichkeit aufgebauten Demokratie wie der unsrigen so weit ist, dass man das Gefühl hat, an “die da oben” wirklich gar nicht ranzukommen? Dass die wirklich gar keinen Bezug mehr zu unserer Realität und unserer Wahrnehmung haben?