Papa. Ein Jahr ist es jetzt also her, daß Dein Körper beschlossen hat, dass es reicht. Eine Menge ist passiert seit dem. Und doch viel zu wenig. Arne dödelt immer noch rum und kriegt seinen Arsch nicht hoch. Karsten weiß noch immer nicht, was er nach der Lehre anfangen soll. Und, naja, dass Muttern von uns allen am schlimmsten dran ist, ist weder eine Überraschung noch zu verhindern gewesen. Wenn Sie wenigstens mit jemandem darüber reden würde.

Papa, ich hab Angst davor, Dich besuchen zu kommen. Deswegen war ich auch noch nicht an deinem Grab. Und jetzt muss ich, ob ich will oder nicht, Urlaub in Deinem Haus machen. Den Rasen mähen, auf dem Du gestorben bist. Die Wand endlich streichen, die seit bestimmt 2 Jahren überfällig ist. In Deinem Bus den Fahrer geben. Auf Deiner Strecke.

Du bist hier überall. Das darf auch gern so bleiben, vergessen können wir Dich eh nicht. Aber ein bisschen weniger schmerzhaft dürfte es schon sein.

Papa, ich habe Angst vor Dir. Weil ich mir im letzten Jahr nur selten Zeit genommen habe, mich mit Deinem Tod zu beschäftigen. Weil mir beim schreiben dieser Zeilen die Tränen in die Augen schießen. Weil ich nicht weiß, wie ich reagiere, wenn ich mit dem Schrecken des letzten Sommers konfrontiert werde.

Als ich letzten Sommer das Haus allein gelassen habe, warst Du erst ein paar Tage tot. Und alles war so schrecklich unwirklich. Ich habe mich damals in die Arbeit gestürzt. Habe organisiert, was zu organisieren war. Habe gefixt, was zu fixen war. Habe versucht, mit meinem Sarkasmus/Zynismus den Rest aus der Lethargie zu holen.

Papa, ich habe Angst. Vor mir. Vor Björkbacken. Vor Mama. Davor, Mama da oben allein zu lassen.

Warum hast Du es eigentlich zugelassen, dass die Frau an Deiner Seite sich am Ende nur noch über Dich definiert? Sie hat Dich angebetet, betet Dich vermutlich immer noch an. Nach all den Jahren…Und das war Dir vermutlich genausowenig klar, wie es uns klar war. Und jetzt wissen wir nicht, wie wir sie da rausbekommen sollen, aus dem Loch.

Papa, ich glaube ein Teil von mir erwartet immer noch, dass Du fröhlich winkend im Türrahmen stehst, wenn wir in Schweden ankommen.

Wir schaffen das schon. Aber gib uns noch Zeit. Momentan fühlt sich das alles wieder sooooo schwer an, das ich kaum einen klaren Gedanken fassen kann. Und das bei 30°C im Schatten und Sonne ohne Ende.

Und ’n ordentliches Ende für diesen Beitrag finde ich auch nicht.