Ich tendiere ja dazu, Berichte über Veranstaltungen inzwischen auf Englisch zu verfassen, aber beim eBookCamp, dass letztes Wochenende in Hamburg stattfand, mache ich mal eine Ausnahme: Zum einen war die Veranstaltung eine rein deutsche Veranstaltung und zum anderen sind die Leser, die diesen Artikel interessant finden könnten sicher auch in der überwiegenden Mehrzahl deutsprachig.

Mein Weg zum eBookCamp ist ein eher sonderbarer: Ich finde das Umfeld zwar schon seit Ewigkeiten spannend und war einer der ersten in meinem Umfeld die auch einen eBook-Reader hatten, aber mit der Verlagsbranche, an die sich das Camp vor allem richtet, habe ich bisher nicht so richtig viel zu tun gehabt, jedenfalls wenn man strikt von Buchverlagen ausgeht. Aber wie das Leben so spielt: Andrea Schlotfeldt veranstaltet nicht nur eBookCamps sondern ist auch noch mit dem Betahaus-Mitgründer Lars Brücher liiert, den ich nun wiederum seit besten Dot-Com-Zeiten durch unsere gemeinse Bürookkupation bei silver.screen kenne. Wir teilten uns damals lange ein Büro und ein paar Stereolautsprecher, über die wir damals sehr enthusiastisch Napster entdeckten. Those were the days. Und so saß ich eines schönen Tages im letzten Jahr mit Andrea in einem Reisebus im Cilento und wir sprachen über eBooks. Das letzte Jahr scheiterte meine Teilnahme noch an irgendwelchen Doppelbuchungen, dieses Jahr passte das Camp auf vollkommen magische Weise zwischen Reykjavík und Tel Aviv.

Am Samstag saß ich nun als erstes in einer Session zum Thema Piraterie und nachdem ich nach der Sessionvorstellung noch dachte, dass das eine gute Gelegenheit wäre, ein bisschen Ärger zu verursachen, stellte sich schnell heraus, dass Maike Prehn eine ziemlich gute und nüchterne Sicht der Dinge präsentierte und ich als jemand, der gerne Bücher kauft, sich aber andererseits nicht scheut die großen Versorgungslücken im deutschen Buchhandel auch mal, sagen wir, unkonventionell zu schließen eher ein geeignetes Anschauungsobjekt war. Gute Session mit ein bisschen Gegrummel, aber zumindest im Kreise dieser Session schien die Einsicht dass DRM jetzt dann auch endlich mal vom Tisch muss schon vor dem Vortrag vorhanden gewesen zu sein. Das war mal eine erste kleine Überraschung.

Babara Bossert hatte dann in der zweiten Session die etwas undankbare, aber irgendwie ja auch selbstgestellte Aufgabe, ihre etwas unergiebige Masterarbeit zu einer Idee namens ePub-Mixer vorzustellen. Unergiebig insofern dass der Grundtenor der Arbeit zu sein schien dass das alles nicht so einfach sein würde. Die Idee fand ich eigentlich ganz charmant (und deswegen war ich auch in der Session), nämlich Kunden zu ermöglichen, in einer Art Shop inhalte von Büchern wahlfrei miteinander zu kombinieren und dann das Endergebnis als ePub zu bekommen. Das ganze wirft nicht nur technische Fragen auf, sondern auch organisatorische, (urheber-)rechtliche, finanzielle und nicht zuletzt inhaltliche - Es ist z.B. vollkommen unklar, ob und wie Verlage ihre Inhalte so granular aufbauen können, dass eine Rekombination überhaupt möglich ist. Mein persönliches Fazit: Handgeschnitzte eBooks werden sich vermutlich vor allem in Bereichen ausbreiten wo Customization nicht nur einfach, sondern auch sinnvoll ist, also z.B. bei Reiseführern, Kochbüchern und allen anderen Formen von kleinteiligen Ratgebern. In der Belletristik ist das Konzept angesichts aktueller Verlagsworkflows, aber auch aus inhaltlichen Gründen vermutlich eher nicht drin in der nächsten Zeit.

Die dritte Session war dann meine und mit nur einer Handvoll Slides als Einleitung entstand eine wie ich finde sehr schöne Diskussion darüber, ob und warum Containerformate wie ePub und .mobi auf lange Sicht nicht sinnvoll sind, was man mit Hypertext alles anfangen kann und was verloren geht, wenn das lineare lesen verloren geht. Ich glaube am meisten Aufmerksamkeit hat meine Idee, Nils Holgersson von Selma Lagerlöf als geokodiertes Hypertext-Gesamtkunstwerk aufzuarbeiten bekommen - was mich darin bestärkt, dass doch mal anzugehen. Einzig, die Zeit fehlt wie so oft. Viel mehr kann ich zu meiner Session auch gar nicht mehr sagen, die Zeit flog an mir vorbei - Ich hoffe, das holen andere nach.

Alles in allem fand ich das eBookCamp eine auch für einen Aussenseiter wie mich erstaunlich entspannte Veranstaltung, ich fühlte mich sehr herzlich aufgenommen und hatte aber auch den Eindruck, dass das Publikum, dass auf so einer Veranstaltung auftaucht im Kopf schon deutlich weiter ist als seine Branche - Man hatte oft das Gefühl, dass sich im Betahaus eine Art Selbsthilfegruppe von Erleuchteten traf, denn oft wurde recht laut über die Unbeweglichkeit der eigenen Branche geklagt. Das einzige was ich wirklich schade fand war dass ich durch die drei parallelen Tracks immer zwei Sessions verpasst habe - Bei nur drei Sessions am Tag drängt sich das Gefühl auf dass man das ein bisschen in die Länge hätte strecken können und so die parallelisierung etwas hätte minimieren können.

Vielen herzlichen Dank an die Organisatoren und Sponsoren, auch für das tolle Präsent, dass ich mir als Sessionleiter zum Schluss noch abholen durfte. Nächstes Jahr werfe ich gerne wieder einen Blick in Eure Branche!