Jetzt wo der Herr Siepert nicht mehr nur Foodbloggt, könnte ich doch eigentlich auch mal anfangen, Foodzubloggen. Ich hab da leider nicht so viel kulinarische Sexyness beizutragen wie ebenjeniger, aber jeder hat mal klein angefangen.

Jeder, der mich ein bisschen besser kennt, weiss, das ich gefühlt ein halber Skandinavier bin. Ich bin fast jeden Sommer in Schweden, nach ’ner Woche da oben radebreche ich sogar ganz passabel Schwedisch. Auch Dänemark ist mir nicht fremd, im Gegensatz zu dem klassischen Dänemark-Urlauber kenne ich mich allerdings auf Seeland, Lolland und Falster wesentlich besser aus als auf dem “Festland”.

Nundenn. Wie es das Schicksal wollte, verbrachte ich den Jahreswechsel auch in Dänemark, und zwar in Lalandia, ein Ort, den der geneigte Individual-Reisende vermutlich ganz abscheulich findet (Think: Dänische Version der Center Parcs), der aber den Vorteil hatte, ein ganz hervorragendes Schwimmbad zu besitzen und Ferienhäuser mit freiem WLAN. Schon sehr Massentouristisch (und über den Jahreswechsel erschreckend voll) und für mich sicher kein Ort, an dem ich drei Wochen Sommerurlaub verbringen möchte. Für unsere spontane Flucht aus dem Großstadt-Sylvester-Wahnsinn war es jedenfalls ideal.

Aber eigentlich sollte es doch um Milchprodukte gehen, also wo war ich stehen geblieben? Ach ja. In Dänemark muss ich natürlich Ymer kaufen. Und dann kam meine Freundin auch noch mit Dingen aus Schweden (wo sie den ausgewanderten Teil Ihrer Familie besuchte). Und so entstand die Idee, dem geneigten Leser einmal kurz die Vorzüge der skandinavischen Meiereiprodukte nahezubringen. Denn ich stelle immer wieder gerade bei frischgebackenen Skandinavien-Neulingen fest, dass man sich nicht so recht rantraut an all die komischen Dinge, die sich da im Kühlregal stapeln. Was nicht weiter verwunderlich ist, denn erstens sind die Namen nicht selbsterklärend und zweitens ist die Schnittmenge mit den uns Deutschen vertrauten Milchprodukten nicht sonderlich groß.

Wie immer fängt alles mit Milch an. Die heisst in Schweden Mjölk (nicht zu verwechseln mit Mjöl, das ist Mehl, har har), in Dänemark Mælk und in Norwegen Melk. Natürlich gibt es auch in Schweden Fettreduzierte Milch, die heisst dann Lättmjölk (0,5% Fett) oder Mellanmjölk (1,5% Fett). In Norwegen kann man übrigens durchaus etwas derangiert vor dem Milchregal stehen: H-Melk ist dort Vollmilch (Helmelk) und eben nicht länger haltbar. Von allen skandinavischen Milch-Sorten ist die Norwegische übrigens, wie ich finde, die leckerste, was daran liegen könnte, das sie in der Regel bis zu 3.7% Fett hat. Eat that.

Kurzer Einschub: Die Milch kommt in Dänemark und Schweden überwiegend von Arlafoods. Arlafoods ist ein krasser Großkonzern, den man in Deutschland vor allem als Hersteller vom Frischkäse “Buko” kennt oder aber von der Butter “Kærgarden”. Arlafoods ist in 2000 aus der Schwedischen “Arla” und der Dänischen “MD Foods” enstanden. “MD Foods” stammt wiederum aus einer Fusion von MD Foods und Kløver Mæelk, den Namen und das Kleeblatt-Logo dürfte einigen langjährigen Dänemarkurlaubern durchaus ein Begriff sein. Die “Arla” wiederum hiess bis 1975 Mjölkcentralen.

Machen wir weiter mit den Gemeinsamkeiten der deutschen und skandinavischen Milchlandschaft: Sahne heisst in Schweden Grädde und in Dänemark Fløde. (Rød Grøte med Fløde anyone?). Schlagsahne kann man tatsächlich relativ direkt übersetzten: Vispgrädde und Piskefløde. Und dann: Gibt es eigentlich in normalen deutschen Supermärkten so etwas wie Kochsahne zu kaufen? Hansano behauptet zumindest, sie hätten sowas im Programm. Im wesentlichen handelt es sich dabei um eine etwas leichtere Sahne (die sich deswegen wohl auch nicht mehr zum aufschlagen eignet) mit ca. 15% Fettgehalt. Im Schwedischen haben wir es hier mit Matlagningsgrädde (oder kurz: Matgrädde) zu tun, im dänischen mit Matlavningsfløde (das musste ich jetzt tatsächlich gerade mal nachsehen).

Weiter in Richtung Fett: Butter heisst im dänischen Smør und im schwedischen Smör. Butter ist in Skandinavien traditionell gesalzen. Das muss man mögen, ich finde es großartig. In Schweden gibt es zwei Sorten: Normal- und Extragesalzen. (Normalsaltad, Extrasaltad)

Der interessante Teil kommt jetzt: Sowohl die Dänen, als auch die Schweden haben ihre ganz eigene Interpretation von Joghurt bzw. Dickmilch.

In Schweden heisst das Fil (ja, das Flachwitzpotential für Deutschsprachige Schwedenurlauber ist enorm) und ist relativ flüssig und recht Sauer (wird im Tetrapack verkauft), hat den selben Fettgehalt wie Milch (und gibt es auch in einer Lätt-Variante) und wird gern mit Früchten (z.B. frisch geflückten Blaubeeren) und Müsli gegessen. Fil gibt es auch mit Früchten. Darüberhinaus gibt es unzählige Fil- und Joghurt-Varianten, die fast alle in Tetrapacks verkauft werden (nur ein paar Joghurt-und-Müsli-Varianten gibts im Becher und Trinkjoghurt in Plastikflasche).

Eine erwähnenswerte Besonderheit ist die sog. Gräddfil, die mit 12% Fett und einer sehr cremigen Konsistenz gerade danach schreit, als Créme-Fraiche-Ersatz und als Grundlage für Dips herzuhalten (im Chipsregal finden sich in der Regel eine ganze Reihe von interessanten Pülverchen, mit denen man z.B. Gräddfil in Chili-Ananas-Dip verwandeln kann. Fragt nicht, war lecker.)

Hier mein übliches Frühstücksrezept: 1,2 Esslöffel Müsli, ein Löffel Preiselbeermarmelade und ’nen ordentlichen Schwung (Lätt-)Fil.

Kurzer Einschub zum Müsli: Das/der wird in Schweden fast ausschließlich in Mehl-ähnlichen Papierverpackungen verkauft. Meine Theorie ist, dass das der Grund ist, warum ich, im Gegensatz zu dem Plastiktüten-Seitenbacher-Krams aus Deutschland noch nie das Gefühl gehabt habe, dass das Müsli muffig schmeckt.

Die Dänen wiederum haben Ymer. Ymer schmeckt vollkommen anders als Fil, ist wesentlich dickflüssiger und unglaublich cremig, was wohl daher kommt, das zur Zubereitung von Ymer Magermilch vergoren wird und nach dem Reifungsvorgang Sahne zugesetzt wird um auf den Fettgehalt von ca. 3,5% zu kommen. Der Name Ymer kommt von , ich zitiere die Wikipedia, von dem Eisriesen Ýmir aus der nordischen Mythologie, der sich von der Milch der Urkuh Auðhumbla ernährte. Macht also alles Sinn. Ymer wird in Dänemark (und ich muss zugeben, dass ich das noch nie probiert habe) mit dem sog. Ymerdrys gegessen, was im wesentlichen gezuckertes zerkrümeltes Schwarzbrot ist. Aber auch in der Müsli-Marmeladen-Kombi schmeckt Ymer ausgezechnet. Von Ymer gibt es auch eine Light-Variante namens Ylette. Witzisch, die Dänen. Und dann gibt es noch A38, eine Joghurt-Sorte die nun wirklich den Preis für den absurdesten Produktnamen gewinnt. (Ich nehme an, es ist der technische Name der verwendeten Acidophilus-Kulturen).

Ach ja, in Norwegen gibt es auch so etwas ähnliches wie Fil, das ist jetzt lange her, aber ich habe sie noch etwas flüssiger und etwas saurer als Fil in Erinnerung und sie heisst Kulturmelk.

Noch erwähnenswert bei den flüssigen Dingen: Kakao. Die Dänen haben Mathilde, deren Maskottchen auch schon mal in einer älteren Demoscene-Produktion auftaucht. Für so eine vorgefertigte Schokomilch ist Mathilde wirklich krass gut.

Und dann: Käse. Die Dänen können da ja so einiges, ein alter Danbo ist schon was feines, oder auch der auch hierzulande recht bekannte Höhlenkäse. Noch besser: Der Blauschimmel. Wobei CASTELLO da gar nicht mein Favorit ist: Ich empfehle Høng – Wenn es was besonderes sein soll, gern auch den mit kandierten Birnenstücken. Und dann: Buko halt. Frischkäse. Nunja.

Die Schweden? Reden wir nicht drüber. Sie haben essbaren Käse, das soll man reichen. Was soll man von einem Land käsemäßig halten, wenn die beliebteste Sorte tatsächlich Haushaltskäse heisst? (Hushållsost). Seltsam ist die Begeisterung der Schweden für Hüttenkäse (Dieser Styropor-Frischkäse), was dazu führt, das es in Schweden Hüttenkäse in zahlreichen, mit Gewürzen und Früchten versetzten Varianten gibt. Ganz lecker, wenn man Hüttenkäse mag.

Interessanter da schon die Norweger: Die haben mit ihrem Jarlsberg einen ziemlich guten Käse mit sehr großen Löchern am Start (und dem klassischen Emmentaler durchaus nicht unähnlich), den man gottseidank sowohl in Schweden als auch in Deutschland oft bekommt. Aber das eigentlich interessante ist der Gudbrandsdalen, ein Ziegenkäse, bei dem bei der Herstellung die Molke und der Milchzucker karamellisiert wird. Gudbrandsdalen ist sehr schmierig und schmeckt tatsächlich wie eine Mischung aus einem Ziegenfrischkäse und, uhm, Karamellbonbons. Da es den bei uns früher im Urlaub eigentlich immer zu essen gab (wir wohnen in Schweden nur ca. 5 km von der norwegischen Grenze), dachte ich, bis ich ca. 15 war, das Ziegenkäse immer süß schmeckt. Heute bin ich dann doch eher ein Freund eines guten französischen, trocken gereiften Rohmilchkäses, aber ab und an nehme ich dann doch auch mal ein Stück von dem Karamellkäse.

Und damit wünsche ich guten Appetit auf der nächsten Skandinavienreise!