Lars zitiert einen Artikel von Paul Virilio in der Zeit, der behauptet, dass die EU-Verfassung ein derart komplexes Machwerk darstellt, dass es Unsinn ist, den Bürger darüber abstimmen zu lassen.

Ich halte das für sehr zynisch. Ist (Europa-)Politik bereits so weit weg vom Bürger, das es nicht möglich ist, so etwas grundlegendes wie eine europaweit geltende Verfassung dem Bürger so zu erklären, das er für sich das Für und Wider der Auswirkungen auf sein Leben und seine Umwelt so abwägen kann, das man ihm die Entscheidung überlassen kann? Darf Politik das überhaupt zulassen?

Kein Mensch (Es sei denn, er ist Europapolitiker) wird sich mit den Details der Verfassung beschäftigen wollen. Ich bin sicher, ein Großteil der Abgeordneten, der im Bundestag FÜR die Verfassung gestimmt hat, hat nicht mal reingesehen. Insofern: Wo ist eigentlich der Unterschied? Auch ein Abgeordneter braucht quasi eine Kurzfassung, die die wichtigsten Auswirkungen auf Deutschland zusammenfasst (Und zwar neutral gehalten), damit er eine Entscheidung auf einem Gebiet auf der er eher zufällig (wenn überhaupt) Experte ist, fällen kann.

Aber nehmen wir mal an, Paul Virilio hat recht und der (mündige) Bürger kann die Auswirkungen der Verfassung tatsächlich nicht beurteilen. Wer sagt mir dann, das die Abgeordneten das können? Wenn nicht (was ich mal annehme, wenn wir Virilio folgen), wie kommen die dann zu ihrer Entscheidung? “Da haben so ein paar Verfassungsrechtler gesagt, das geht klar, Gerd ist auch dafür, Joschka und Angie auch, dann wirds wohl passen” oder wie? Verleiht das einer Verfassung eigentlich wirklich die notwendige demokratische Legitimation? Oder sind wir schon längst weg von der Demokratie hin zu einer reinen Technokratie und die Parlamente und Abgeordneten sind störendes Beiwerk, welches manchmal einfach nicht so funktioniert wie es soll?

Meine Meinung dazu: Politik, die nicht in ihren Auswirkungen auf den Bürger zumindest in groben Zügen vermittelbar ist, verfehlt ihren Zweck. Bestes Beispiel ist ja eigentlich die Misere der Rot/Grünen. Alle (zumindest alle die, die nicht nur von Bild-Schlagzeilen leben) wissen, dass die CDU den von Schröder eingeschlagenen Weg der Reformen eigentlich nur noch beschleunigen will. Das will eigentlich gerade die Bild-Fraktion ja nun nicht gerade (vermutet man zumindest). Dennoch hat die CDU momentan 47% der Bürger hinter sich.

Es findet eben keine Vermittlung der Probleme und der Lösungsansätze statt, sondern es ist quasi immer Wahlkampf. Das z.B. die immer wieder beschworene “Vollbeschäftigung” ein Ziel ist, das ferner gar nicht sein könnte und das bei nüchterner Betrachtung auch gar keiner will, ist Experten längst klar. Dennoch wird dieses Un-Wort immer wieder in den Mund genommen und fröhlich behauptet, man habe das Patentrezept quasi sofort bereit liegen, wenn man gewählt werden würde.

Zurück zur Verfassung: Das GG habe ich im Rahmen meiner über 20 Jahre währenden Ausbildung diverse Male durchgekaut. Die Feinheiten werde ich weiterhin Verfassungsrechtlern überlassen. Ich denke dennoch, das meine diversen Lehrer es ganz gut verstanden haben, mir die Grundzüge unserer Verfassung und die Auswirkungen auf mich und meine Umwelt nahezubringen. Für die EU-Verfassung warte ich noch immer auf jemanden, der mir die Auswirkungen des Unterschieds zwischen “Recht auf Arbeit” und “Recht zu Arbeiten” darstellen kann :)

Die Auswirkungen dieser “Taktik” sind ja bekannt: Politikverdrossenheit und ein Wahlverhalten, das sich durch alles, aber nicht durch Sachfragen erklären lässt. Unter diesen Umständen sollte man natürlich auf die Durchführung von Volksentscheiden verzichten, das Ergebnis könnte halt dann doch eher das Abschneiden der Nationalmannschaft beim Fedcup repräsentieren als die Meinung der Bürger zum europäischen Projekt.